Das „Globale Europa“

Von Werner Hörtner · · 2009/03

Die „Global Europe-Strategie“ soll die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber anderen konkurrierenden Wirtschaftsräumen verbessern. Eine Spurensuche am Beispiel Zentralamerika.

Die Assoziierungsabkommen, die jetzt gerade mit den zentralamerikanischen Ländern (außer Panama) ausgearbeitet werden, sind – nach dem Selbstverständnis der zuständigen EU-PolitikerInnen und -BürokratInnen – natürlich keine Freihandelsabkommen. Die Europäer sprechen von Partnerschaft und Dialog und Zusammenarbeit.
Tatsächlich beruht das Assoziierungsabkommen, das nun von der Europäischen Union mit Zentralamerika ausgehandelt wird, auf drei Säulen: politischer Dialog, Entwicklungszusammenarbeit und Handelsliberalisierung. Doch was so unscheinbar als dritter Punkt aufscheint, ist das Kernstück des Abkommens. Für den Dialog und die Entwicklungszusammenarbeit gibt es schon seit Jahren entsprechende Vereinbarungen, dafür wäre kein neuer Vertrag notwendig, erklärte kürzlich Jesús Garza in Wien. Der gelernte Schauspieler und Regisseur aus Honduras ist Koordinator von CHAAC, einem honduranischen Netzwerk, das sich jetzt im Fall der Verhandlungen zwischen der EU und Zentralamerika für mehr Öffentlichkeit, Transparenz und einen für die Bevölkerungen und nicht für die Konzerne vorteilhaften Vertrag einsetzt.

Der Startschuss für die Verhandlungen fiel schon beim EU-Lateinamerika-Gipfel im Mai 2006 in Wien, doch wurden sie erst im Juni 2007 unter der deutschen EU-Präsidentschaft aufgenommen. Im kommenden Mai sollten sie bereits unter Dach und Fach sein, doch ist dieser Zeitpunkt mehr als fraglich. Jesús Garza: „Die Verhandlungen sollten im Mai schon abgeschlossen werden, doch gibt es Punkte wirtschaftlicher und politischer Natur, die nicht so schnell behandelt werden können. Der Zeitpunkt des Abschlusses hängt vom politischen Willen der beiden Seiten ab. Wenn sie einverstanden sind, kann im Mai ein Dokument unterzeichnet werden, und die noch nicht ausverhandelten Punkte werden dann eben noch offen gelassen. Im Allgemeinen sind es die Europäer, die auf einen schnellen Verhandlungsabschluss drängen. Ich wäre froh, wenn wir mehr Zeit hätten.“
Die Frage, welche Interessen die EU mit diesem Abkommen tatsächlich verfolgt, beantwortet die Union selbst. Im Strategie-Papier heißt es unter anderem, dass durch Freihandelsabkommen „die größtmögliche Handelsöffnung“ und eine „weitreichende Liberalisierung bei Dienstleistungen und Investitionen“ erreicht werden soll.

Yadira Minero, ebenfalls aus Honduras, ist Anwältin und Rechtsexpertin zur Situation der Frauen in den Maquila-Betrieben, also den Weltmarktfabriken in den Freihandelszonen. Sie kennt die Kehrseite der globalen Mobilität der Investitionen und der „größtmöglichen Handelsöffnung“ aus eigener Anschauung. „Dieses Modell bringt nichts für die Entwicklung des Landes. Bei diesen erschöpfenden Arbeitstagen bis zu 12 Stunden haben die meist jungen Frauen keine Zeit und keine Energie, um daneben irgendeine schulische oder handwerkliche Ausbildung zu machen.“
Sie hat auch erlebt, wie den ArbeiterInnen eingebläut wird, ihr Schicksal ergeben auf sich zu nehmen und sogar noch zufrieden zu sein, überhaupt eine Arbeit zu haben. „Eine weitere Folge dieses extrem neoliberalen Modells ist die Investitionsfreiheit. Hier werden die Menschen massiv manipuliert. In China sagen sie den Beschäftigten in den Exportindustrien, arbeitet schnell und fleißig, sonst gehen die Unternehmen nach Zentralamerika. In Honduras sagen sie dasselbe und drohen, nach Nicaragua zu gehen. Dort wiederholt sich dieses Spiel, das in den Medien breit kolportiert wird und sich wie eine Gehirnwäsche in den Köpfen festsetzt.“

Nach dem De-facto-Scheitern der Verhandlungen mit dem Mercosur ist Zentralamerika so etwas wie ein Versuchsballon für die EU für regionale Abkommen. Bilaterale Verhandlungen mit Kolumbien und Peru sollen bald beginnen. In Mittelamerika könnte der wahrscheinliche Wahlsieg der Linkspartei FMLN bei den Präsidentschaftswahlen Mitte März in El Salvador eine Gewichtsverschiebung bringen. Jesús Garza glaubt aber nicht, dass das an den Verhandlungen Wesentliches verändern kann: „El Salvador ist das Land, das am stärksten die neoliberale Wirtschafts- und Handelspolitik umgesetzt hat. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Aber was der neue Präsident tun kann ist, in den Verhandlungen mit Europa stärker, bewusster, mit mehr Würde aufzutreten. Ich glaube, in der Europäischen Kommission sieht man diese Entwicklung in El Salvador mit Besorgnis.“
Vielleicht sollte man sich in Brüssel auch einmal daran erinnern, welch kläglichen Schiffbruch George W. Bush bei seinem Versuch erlitten hat, ganz Lateinamerika in die von ihm konzipierte Freihandelszone hineinzudrängen.

Jesús Garza und Yadira Madero besuchten kürzlich auf Einladung der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN Wien (www.fian.at).
Zur Kampagne gegen das Assoziierungsabkommen siehe www.stop.assoziierung.de

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